DUH: Quote für Biokraftstoffe verschärft Lebensmittel-Knappheit

Weizenfeld vor blauem Himmel als Symbol für Lebensmittel und BiokraftstoffeFoto: Iakov Kalinin / stock.adobe.com
In den Tank oder auf den Teller? Der Krieg in der Ukraine macht die alte Diskussion brisanter.
Die DUH fordert einen sofortigen Stopp der Nutzung von Lebensmitteln für die Herstellung von Biokraftstoffen.

Ein Stopp der Förderung von „Agrokraftstoffen“, also Biokraftstoffen aus landwirtschaftlichen Produkten, sei eine der wirksamsten Stellschrauben gegen die sich abzeichnende Verknappung von Lebensmitteln. Da aus Russland und der Ukraine durch den Krieg Ausfälle bei der Lieferung von Getreide und Ölpflanzen zu erwarten seien, werde es einen weltweiten Preisschock bei den Grundnahrungsmitteln geben. Die Bundesregierung müsse die Förderung für Biokraftstoffe aussetzen, um einer sich abzeichnenden Lebensmittel-Knappheit entgegenzuwirken.

Bioethanol zu 40 Prozent aus ukrainischem Getreide

Derzeit werden laut DUH in Deutschland jährlich über 3,4 Millionen Tonnen Getreide und Ölpflanzen zu Biokraftstoffen verarbeitet. Dieser dient als Beimischung zu fossilem Diesel und Benzin. Getreide aus der Ukraine sei die Grundlage für fast 40 Prozent des in Deutschland eingesetzten Bioethanols. Das habe eine kürzlich veröffentlichte Studie des ifeu-Instituts im Auftrag der DUH zeigt.

Der Krieg in der Ukraine mache die langjährige Tank-oder-Teller-Diskussion nun „massiv akut“. Die Weizenpreise waren schon vor Beginn des Krieges hoch und sind in den letzten drei Wochen nochmals drastisch gestiegen. Auch in Deutschland würden einige Supermärkte bereits Mehl und Speiseöle rationieren. Indem man Getreide und andere Nahrungs- und Futtermittel als Treibstoff zu nutze, würden deren Anbauflächen für die Produktion von Nahrung für Menschen fehlen. Das verschärfe die Unsicherheit in der Lebensmittelversorgung und die Inflation.

Tempolimit wirksamer als Beimischung von Biokraftstoffen

Allein in Deutschland würden derzeit 782.000 Hektar für den Anbau von Raps, Getreide und anderen Pflanzen für Biokraftstoffe genutzt. Das sind fast 5 Prozent der Agrarfläche. Stattdessen könne man diese Fläche für Lebensmittel oder effizientere erneuerbare Energie wie Photovoltaik oder Windenergie nutzen. Der Anbau von Energiepflanzen lohne sich nur durch staatliche Anreize, so die DUH.

Die Bundesregierung fördert den Einsatz von Agrokraftstoffen derzeit durch die Anrechnung auf die sogenannte Treibhausgasminderungsquote im Verkehr. Durch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes lasse sich dies schnell ändern. Tschechien habe die staatlichen Quoten für Agrokraftstoffe in der aktuellen Situation bereits ausgesetzt. „Die Bundesregierung kann die Verbrennung von Lebensmitteln im Tank mit einem Federstrich stoppen“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Bisher leisten die Biokraftstoffe den größten Beitrag zur Erfüllung der Quote. Laut einer DUH-Studie sei das für das Klima allerdings nachteilig.

Die Beimischungen seien ohnehin zu gering, um für mehr Unabhängigkeit zu sorgen. Stattdessen brauche man nun wirksame Maßnahmen, um den Kraftstoffverbrauch schnell und deutlich zu reduzieren. Ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 80 auf Außerortsstraßen könne zum Beispiel sofort bis zu 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel sparen. Diese Tempolimits galten 1973 während der ersten Ölkrise.

Knappheit im Nahen Osten und Afrika, Preissteigerung in Europa

Die Ukraine und Russland stellen laut DUH fast 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte, 15 Prozent der Maisexporte und über 60 Prozent der Exporte von Sonnenblumenöl. Etliche Länder im Nahen Osten und Afrika sind in hohem Ausmaß von den Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland abhängig. Ägypten beziehe fast 70 Prozent seines Weizens von beiden Ländern. „In Ländern im Nahen Osten und in Afrika drohen Hungersnöte“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Doch auch in Europa wirkt sich die Verknappung aus. 2020 importierte Deutschland jeweils mehr als 400.000 Tonnen Mais und Raps sowie über 15.000 Tonnen Sonnenblumenöl aus der Ukraine und Russland. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel sind auch in Deutschland eine enorme Belastung, vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen“, sagt Müller-Kraenner.

Bioethanol-Verband widerspricht

Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft BDBE sieht Biokraftstoffe nicht als Ursache für Lebensmittel-Knappheit.  Die heimische Bioethanolproduktion trage sehr wohl zur Energieversorgung bei. Sie sichere zudem durch gleichzeitig hergestellte Koppelprodukte die Nahrungsmittelversorgung.

Bei der Herstellung von Bioethanol entstehe zusätzlich hochwertiges Futter für Nutztiere. Somit diene die Fläche zugleich der Erzeugung von Nahrungsmitteln. Die Bioethanolwirtschaft in der EU habe zuletzt neben 4,4 Mio. Tonnen Bioethanol auch 4,2 Mio. Tonnen Futtermittel hergestellt. Hinzu kämen rund 1,1 Mio. Tonnen weiterer Produkte wie organischer Dünger, Biogas oder biogenes CO2.

Zudem betont der Verband, dass Bioethanol nicht nur als Kraftstoff genutzt werde. Es komme auch in der chemischen Industrie als Grundstoff für Desinfektionsmittel sowie in der Getränke- und Lebensmittelwirtschaft zum Einsatz.

Die aktuellen Versorgungsengpässe und Preissprünge bei Getreide seien in erster Linie das direkte Resultat von Lieferausfällen durch den Ukraine-Konflikt und der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Russland sei für zehn Prozent, die Ukraine für vier Prozent der weltweiten Weizenproduktion verantwortlich. Die Anbaufläche für Bioethanol-Rohstoff in Deutschland mache drei Prozent der heimischen Ackerfläche aus. Weltweit mache der Anteil der Weizenanbaufläche für Bioenthanol weniger als ein Prozent der Anbaufläche aus.

17.3.2022 | Quelle: DUH, BDBE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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