Wärmewende in Städten mit Abwasser und Quartiersnetzen

Luftbild des Klärwerks Hamburg an der ElbeFoto: Hamburg Wasser
In Hamburg plant das Klärwerk den Einsatz von Großwärmepumpen, die die Abwasserwärme für die städtische Wärmeversorgung nutzen sollen.
Damit die Wärmewende in den Städten gelingt, müssen sich Kommunen alle Potenziale anschauen. Einn Gruppe von Experten empfiehlt neben dem Abwasser auch konsequente Sanierungen in sozial schwachen Milieus sowie Quartiersnetze.

Eine Gruppe von Experten empfiehlt für einen Erfolg der Wärmewende in Städten, alle Potenziale wie zum Beispiel das Abwasser zu nutzen. Darüber informiert das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Die voranschreitende Klimakrise, der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Unsicherheiten und Preissteigerungen. Es gibt viele Gründe, bei der Wärmeversorgung schnellstmöglich aus Öl und Erdgas auszusteigen. Damit die Wärmewende in Städten schneller und effektiver vorankommt, empfehlen Energieexpert*innen des Projekts „Urbane Wärmewende“ einen Maßnahmenmix. Städte sollten eine räumliche Wärmeplanung entwickeln und alle nachhaltigen Wärmepotenziale wie etwa Abwasserwärme erschließen.

Zudem sollten sie die Fernwärme ausbauen, Quartierswärmenetze bilden – vor allem rund um öffentliche Gebäude – und faire energetische Sanierungen in Milieuschutzgebieten unterstützen. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit der Wirtschaftskanzlei Becker Büttner Held (BBH) und den Berliner Wasserbetrieben sowie mit Vertreter*innen der Berliner Senats- und Bezirksverwaltung Empfehlungen für Länder, Städte, Kommunen und Quartiersmanager*innen.

Am Beispiel Berlins untersuchte das Forschungsvorhaben zentrale Aspekte einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Bisher hängt die Hauptstadt im Wärmebereich noch zu zwei Dritteln von Erdgas, zu 17 Prozent von Heizöl und zu fünf Prozent von Kohle ab. „Berlin steht bei der Wärmewende vor Herausforderungen, die auch andere Städte kennen. Steigende Mieten schüren Angst vor teuren Sanierungsprojekten“, erklärt Projektleiterin Dr. Elisa Dunkelberg vom IÖW. Der Wandel komme trotz Fördertöpfen noch nicht in den Quartieren an. Und Technologien wie die Nutzung der Abwasserwärme kommen nur langsam in die Umsetzung. „In zweieinhalb Jahren praxisnaher Forschung haben wir Lösungsstrategien zusammengestellt, die in keiner städtischen Wärmeplanung fehlen sollten.“

Warmmiete kann nach Modernisierung sinken

Auf der nächsten Heizkostenabrechnung bekommen die Mieter*innen zu spüren, wie teuer die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen derzeit ist. Selbst wenn sich die Märkte beruhigen – der CO2-Preis wird steigen. Darum kann sich eine energetische Sanierung, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgeht, auch aus Sicht der Mieter*innen lohnen. Wenn die Vermieter*innen Fördermittel nutzen und die Modernisierungskosten fair umlegen, bleibt die Warmmiete stabil oder kann sogar sinken, wie die Forscherinnen berechnet haben.

Gerade in Milieuschutzgebieten sollten Kommunen daher ambitionierte Sanierungen stärker als bislang ermöglichen. „In den gut 70 sozialen Erhaltungsgebieten Berlins werden ambitionierte energetische Sanierungen bisher selten genehmigt. Gleiches gilt für einen Wechsel von Gasetagenheizungen zu erneuerbaren Energien oder Fernwärme“, so Charlotta Maiworm von BBH. Worauf Kommunen und Quartiersmanager*innen dabei achten sollten, fasst das Forschungsteam in einem Leitfaden zusammen.

Abwässer kann Berlin zu fünf Prozent beheizen

Um Ressourcen effizient einzusetzen und Energieimporte zu minimieren, müssen lokale Wärmequellen umfassend genutzt werden. Manche Städte haben in einzelnen Bereichen große Potenziale wie München bei der Geothermie und Hamburg bei der industriellen Abwärme. Andere Städte wie Berlin müssten alle Potenziale ausschöpfen. Dabei gehe es um einen breiten Mix aus Umweltwärmepumpen, gewerblicher Abwärme, Direktstromnutzung und Biomasse.

Eine Wärmequelle, die in allen Städten ganzjährig zur Verfügung steht, ist die Abwasserwärme. Sie könnte in Berlin zukünftig bis zu fünf Prozent des Wärmebedarfs decken. „Für ihre kommunale Wärmeplanung brauchen Städte Informationen darüber, wo und in welchem Umfang Abwasserwärme zur Verfügung steht“, sagt Michel Gunkel von den Berliner Wasserbetrieben. Dafür haben die Teilnehmer des Projektes ‚Urbane Wärmewende‘ Daten zu einem Abwasserwärmeatlas aufbereitet.

Quartierswärmenetze sinnvoll

Die Informationen aus dem Abwasserwärmeatlas müssen für die Wärmeplanung mit anderen Daten wie etwa der Wärmenachfrage zusammengeführt werden. Ziel der Wärmeplanung ist es herauszufinden, wo mit welcher zukünftigen Wärmeversorgung Klimaneutralität am besten und kosteneffizientesten zu erreichen ist. Quartierswärme ist dort sinnvoll, wo erneuerbare Wärme und Abwärmepotenziale die Bedarfe einzelner Gebäude überschreiten. „Um lokale Wärmequellen zu erschießen, spielen öffentliche Gebäude eine zentrale Rolle“, betont Elisa Dunkelberg. „Wenn dort zum Beispiel eine große Abwasserwärmepumpe installiert wird, kann diese über ein Quartierswärmenetz auch umliegende Häuser mitversorgen.“ Wann immer bei öffentlichen Gebäuden Heizungswechsel oder Sanierungen anstehen, sollte daher geprüft werden, ob ein Quartierswärmesystem möglich ist. Beispielberechnungen zeigen, dass mit der geplanten Bundesförderung für effiziente Wärmenetze Quartierswärme in der Nachbarschaft zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden kann. Die Forschenden schlagen zudem Maßnahmen für eine erleichterte Umsetzung vor – etwa Musterverträge und Kriterienkataloge.

26.4.2022 | Quelle: IÖW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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