Fraunhofer ISE erforscht Methanolsynthese aus Hochofengas

In einer Miniplant am Thyssenkrupp-Standort in Duisburg haben Forscher:innen des Fraunhofer ISE erstmals die Methanolsynthese aus Hochofengas im Langzeitbetrieb erprobt.Foto: Fraunhofer ISE
Die Methanolsynthese aus Hochofengas ist in dieser Miniplant erprobt worden.
In einer Miniplant am Thyssenkrupp-Standort in Duisburg haben Forscher:innen des Fraunhofer ISE erstmals die Methanolsynthese aus Hochofengas im Langzeitbetrieb erprobt.

Im Rahmen des Projekts Carbon2Chem entwickelt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE zusammen mit Partnern aus Industrie, Forschung und Lehre Verfahren zur Herstellung von Methanol aus Abgasen der Industrie am Beispiel der Stahlindustrie. Erstmals konnte nun in einer Miniplant des Fraunhofer ISE mit einer Produktionsleistung von täglich zehn Litern die Langzeitstabilität der Methanolsynthese aus realem, gereinigtem Hochofengas über insgesamt mehr als 5.000 Stunden demonstriert werden. Zuvor hatte Thyssenkrupp bereits 2018 den Machbarkeitsnachweis der Herstellung von Methanol aus Hochofengas im Projekt erbracht.

Die fossile Methanolsynthese und die Stahlherstellung mittels der Hochofenroute basierend auf Kohle sind für hohe CO2-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aber eine Verknüpfung der beiden Verfahren unter Verwendung von grünem Wasserstoff ermöglicht es, Methanol aus rein fossilen Quellen durch stoffliche Nutzung der Emissionen aus der Stahlherstellung mit grünem Wasserstoff als Reaktionspartner zu substituieren. „Die Verpflichtungen aus dem Klimaabkommen von Paris lassen sich nur erfüllen, indem Industriesektoren miteinander verknüpft werden. Wir müssen schwer zu vermeidende Emissionen in einen Kreislauf überführen“, sagt Achim Schaadt, Leiter der Abteilung Thermochemische Prozesse am Fraunhofer ISE.

Hochofengas als Ausgangsstoff für Methanolsynthese

Das Fraunhofer ISE, das seit zehn Jahren auf dem Gebiet der Methanolsynthese arbeitet, setzte bei der Entwicklung der Miniplant auf ein einfaches und robustes Prozesskonzept. Es basiert auf zwei ungekühlten Reaktoren sowie einer industrienahen Rezyklierung der unreagierten Gase. Die Anlage ging 2017 am Fraunhofer ISE in Freiburg in den Probebetrieb mit Flaschengasen, ehe sie 2019 ins Carbon2Chem-Technikum in Duisburg transferiert wurde. Die Hüttengase aus dem benachbarten integrierten Stahlwerk werden in einer Gasreinigung von Thyssenkrupp Industrial Solutions unter Nutzung von Katalysatoren und Sorbenzien des Spezialchemieunternehmens Clariant aufbereitet und für die nachfolgende Synthese von Katalysatorgiften befreit.

„Das Schichtpersonal der Thyssenkrupp Uhde Engineering Services hält die Gasreinigung rund um die Uhr am Laufen. Das Stahlwerk arbeitet im Dreischichtbetrieb, es gibt immer genug Gas. Wir haben ideale Voraussetzungen für den Dauerbetrieb im Technikumsmaßstab“, sagt Max Hadrich, Leiter der Gruppe Power-to-Liquids am Fraunhofer ISE. In insgesamt mehr als 5.000 Betriebsstunden vor Ort konnte man über 1.500 Liter Rohmethanol herstellen. Der Fokus lag hierbei auf der Verwendung des gereinigten Hochofengases, das mit über 85 Prozent den größten Anteil an den Hüttengasen stellt. In einem über 3.000 Stunden andauernden Langzeittest konnten die Forscher:innen keinen nennenswerten Rückgang der Katalysatoraktivität feststellen. Dies bescheinigt eine gute Funktionsweise des Katalysator- und Anlagendesigns.

Prozessoptimierung mit dem digitalen Zwilling

Eine wichtige Voraussetzung für die Prozessoptimierung der Methanolsynthese aus CO2-reichem Synthesegas ist laut den Forscher:innen die Verbesserung des kinetischen Modells für den in Carbon2Chem eingesetzten Clariant-Katalysator. Denn Reaktionen mit Kreislaufführung wie die Methanolsynthese erfordern ein tiefes Verständnis der komplexen Wechselwirkungen der Prozessparameter. Das Fraunhofer ISE konnte, basierend auf dem verbesserten kinetischen Modell, einen digitalen Zwilling der Miniplant entwickeln. Dieser ermöglicht es, die Lernprozesse zu beschleunigen und gleichzeitig Scale-up-Risiken für zukünftige industrielle Anlagen zu minimieren.

Aber die Hüttengase sind als wesentlicher Ausgangsstoff in ihrer Menge und Zusammensetzung nicht konstant. Diese Randbedingung, die insbesondere für Prozesse auf Basis von erneuerbaren Energien häufig auftreten wird, ist für die Methanolsynthese eine neue Herausforderung. Je nach Betriebszustand oder vorhandenen Rohstoffen können die Eigenschaften der Gase aus der Kokerei (Koksherstellung), dem Hochofen (Umwandlung von Eisenerz zu Roheisen) oder dem Konverter (Umwandlung von Roheisen zu Stahl) erheblich schwanken. Mit den gesammelten Daten will man nun ein Regelungskonzept entwerfen. Somit will man in Echtzeit auf Veränderungen reagieren und die Synthese stets in einem optimalen Betriebspunkt halten. Die validierten Prozessmodelle werden nun im nächsten Schritt dafür genutzt, großtechnische Anlagen auszulegen.

Auch das Fraunhofer Umsicht abreitet an der Verwendung von Hüttengasen für die Methanolherstellung.

15.9.2022 | Quelle: Fraunhofer ISE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen