BSW: rückwirkende Erlösabschöpfung für Solarenergie verfassungswidrig

Münzen auf Photovoltaik-Module - Symbol für hohe Marge.Foto: Swellphotography / stock.adobe.com
Mit dem Bau und Weiterverkauf von Miet-PV-Anlagen auf Privathäusern will Otovo auch in Zukunft eine hohe Marge erzielen.
In der vorigen Woche war ein Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) an die Öffentlichkeit geraten, das unter anderem technologiespezifische und teils rückwirkende Erlösabschöpfungen vorsah.

Wenn die Erlösabschöpfung bei der Solarenergie durch die Bundesregierung rückwirkend oder in unverhältnismäßiger Höhe kommt, könnte das zu einem Markteinbruch und zum Verfehlen der Klimaziele führen. Das schreibt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) in einer Pressemitteilung.

Die Pläne des BMWK für die Erlösabschöpfung in der Solarenergie gehen laut BSW deutlich über die EU-Beschlüsse zur Strompreisbremse hinaus. Die Aussicht auf die Erlösabschöpfung führe schon jetzt zu erheblicher Verzögerung bei neuen Solarkraftwerken, die sich mittels Power Purchase Agreements (PPA) förderfrei am Markt finanzieren sollen. In der Solarbranche gebe es derzeit große Verunsicherungen beim Abschluss neuer Verträge für die Direktvermarktung von Solarstrom. Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat die Pläne bereits kritisiert.

Kurzgutachten: geleakte Pläne für Erlösabschöpfung verfassungswidrig

Laut dem vom BSW beauftragen Kurzgutachten der Berliner Wirtschaftskanzlei Raue würden die Pläne gegen Verfassungsrecht verstoßen. Im deutschen Recht sei das Abschöpfen von Erlösen bislang nur als Sanktionsmaßnahme vorgesehen. Zudem würden laut den BMWK-Plänen tatsächlich erwirtschaftete Gewinne überhaupt nicht in die Berechnung einfließen. Somit liege es sogar nahe, dass die Abschöpfung in dieser Form ein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentumsrecht sei. Rechtsanwältin Anna von Bremen (RAUE) erläutert: „Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Rückwirkung zum 1. März 2022 liegen offensichtlich nicht vor. Eine solche ‚echte‘ Rückwirkung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Fallgruppen liegen hier nicht vor.“

Technologiespezifische Obergrenzen verstoßen gegen EU-Verordnung

Darüber hinaus würden die Pläne auch gegen eine am 6.10.2022 verabschiedete EU-Verordnung verstoßen, unter anderem wegen der technologiespezifischen Obergrenzen. „Die EU-Verordnung lässt solche technologiespezifischen Caps nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu. Eingriffe müssen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein und dürfen Investitionssignale nicht gefährden. Schon die Reaktionen auf die geleakte Präsentation beweisen aber, dass Investoren sich zurückziehen werden“, sagt von Bremen.

Der BSW warnt eindringlich vor dem „Tabubruch“ eines rückwirkenden Markteingriffs und vor der Beschneidung von Solarerlösen. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig erklärte: „Derartige Eingriffe würden das Investitionsklima für marktgetriebene Solarkraftwerke nachhaltig vergiften. Sie drohen die Markteinführung der Photovoltaik um viele Jahre zurückzuwerfen. Um eine bezahlbare und unabhängige Energieversorgung zu erreichen sowie horrende Klimafolgekosten zu dämpfen, müssen wir den Solarenergieausbau vervielfachen und nicht ausbremsen.“

Kosten für Solarenergie steigen, Photovoltaik-Betreiber brauchen mehr Einnahmen

Kapital-, Pacht- und Komponentenkosten seien stark gestiegen und steigen derzeit weiter. Daher benötige die Solarbranche derzeit deutlich mehr Kapital. „Wer vor diesem Hintergrund ihre Erlöse beschneidet, raubt den zumeist mittelständischen Unternehmen den nötigen finanziellen Spielraum für die dringend notwendigen Investition in neue Solarprojekte“, so Körnig.

Hinzu komme, dass die vom BMWK in Betracht gezogene rückwirkende Abschöpfung stelle eine Schlechterstellung der Solarenergie gegenüber fossilen Stromerzeugern darstelle. Diese würden den Strom hauptsächlich auf dem Terminmarkt verkaufen. Dieser soll laut dem Papier im Gegensatz zum Spotmarkt nicht rückwirkend abgeschöpft werden.

Spielräume in der Erlösabschöpfung zugunsten der Solarenergie nutzen

Der BSW appelliert an die Ampel-Koalition, rückwirkende Markteingriffe in jedem Fall zu unterlassen. Um die negativen Folgen einer Erlösabschöpfung auf den Photovoltaik-Ausbau zu begrenzen, solle die Bundesregierung zumindest die Spielräume der EU-Verordnung im Sinne des Vertrauensschutzes und der Investitionssicherheit für die Solarbranche voll nutzen. Konkret nennt der BSW drei Punkte, die von der EU vorgesehen sind:  

  • das Ausschöpfen der EU-rechtlich vorgesehenen Erlösobergrenze von 180 Euro je MWh für Photovoltaikanlagen
  • die zeitliche Befristung vom 1. Dezember 2022 bis 31. Mai 2023
  • die vollständige Nutzung der Bagatellgrenzen für kleine Anlagen bis 1 MW Peak-Leistung. Bei diesen sei der administrative Aufwand enorm und die Einnahmen (zum Beispiel durch bei Überschusseinspeisung) begrenzt.

Erlösabschöpfung könnte auch für mittelgroße Solaranlagen auf Gewerbedächern gelten

Kleine Photovoltaik-Anlagen auf Eigenheimen sollen dem Vernehmen nach von der geplanten Erlösabschöpfung nicht betroffen sein. Unter Umständen könne sie sich aber nicht nur auf Betreiber großer Solarparks beziehen, sondern auch Betreiber von Solarstromanlagen auf Gewerbedächern. Nach Daten der Bundesnetzagentur wurden in den ersten acht Monaten 40 Prozent weniger Photovoltaikleistung auf Firmendächern installiert als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

BEE: Sinkende Energiepreise für durchdachte Reform nutzen

Ähnlich argumentiert auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Man habe Verständnis für kurzfristigen Handlungsbedarf bei hohen Preisen, doch gerade ändere sich die Lage. Die Energiepreise seien im freien Fall. Wenn die

Wenn die Versorger die entstehenden günstigeren Einkäufe an die Kunden weitergeben, komme es zu kurzfristigen Entlastungen. Das verschafft eine Verschnaufpause für die Umsetzung einer Energiepreisbremse. 

Die Bundesregierung solle daher alternative Modelle in Ruhe prüfen, einschließlich einer steuerlichen Erlösabschöpfung. Im engen Dialog mit der Branche könne man dann einen Mechanismus etablieren, der verfassungskonform, im Rahmen der EU-Verordnung und praktikabel sei und zugleich der Ursache der Energiekrise mit einem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren entgegenwirkte.

25.10.2022 | Quelle: BSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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