Jan Brunner von Krannich: 2023 wird kein ruhiges Jahr für die PV

Jan Brunner von Krannich Solar, ein Mann mit Bart im Anzug, schaut mit einem freundlichen Lächeln in die Kamera.Foto: Krannich Solar
Jan Brunner, Vertriebschef von Krannich Solar
Jan Brunner ist Vertriebschef (CSO) des Photovoltaik-Großhändlers Krannich Solar. Im Solarthemen-Interview spricht er über die aktuelle Marktsituation und voraussichtliche Materialverfügbarkeit in der PV-Branche 2023. Für PV-Module, Wechselrichter und Speicher erwartet Brunner eine unterschiedliche Preisentwicklung. Handwerkern empfiehlt er auch weiterhin eine eigene Lagerhaltung.

Solarthemen: Die letzten Jahre waren für die Akteure in der Photovoltaik stürmisch und schwer planbar. Glauben Sie bei Krannich, dass die Branche 2023 in ein ruhigeres Fahrwasser kommen wird?

Jan Brunner: Ich bin jetzt 16 Jahre dabei. Das Fahrwasser war in dieser Zeit nicht ein einziges Mal ruhig. Warum sollte das 2023 anders werden? Vor einem Jahr begann der schreckliche Krieg gegen die Ukraine, den wir als Auslöser der nächsten großen Welle sehen. Wir kämpfen noch mit den Nachwirkungen von Corona in Form gestörter Lieferketten. Und der Krieg kam „on top“. Er hat einen positiven Aufbruch zu den Erneuerbaren ausgelöst. Insofern darf das Geschäft gern ein bisschen unruhig bleiben.

Einkaufspolitik bei Krannich

Solarthemen: Ins Bewusstsein trat durch den Krieg unsere starke Abhängigkeit von fossiler Energie aus Russland. Bei der PV gibt es aber eine nicht minder starke Abhängigkeit von China. Die Branche spürt das gerade aufgrund der stockenden Lieferketten. Reagieren Sie darauf in Ihrer Einkaufspolitik?

Brunner: Wir tun alles, um die europäischen Hersteller in unserem Portfolio zu stärken. Und wir setzen stark auf europäische Wertschöpfung, mit Marken wie SMA, Fronius, Meyer Burger. Im Bereich der PV-Module gibt es im gesamten Markt eine starke Abhängigkeit von China. Meyer Burger versucht jetzt, Land zurückzugewinnen. Aber das ist ein zähes Unterfangen.

Bei Wechselrichtern und Speichern aus China sehen wir aktuell das größte Wachstumspotenzial. Große Player wie Sungrow und Huawei befinden sich bereits in den Startlöchern. Sie haben in den letzten Jahren im Commercial-Bereich schon gezeigt, zu was sie fähig sind. Wir rechnen damit, dass spätestens im dritten Quartal eine Welle von verfügbaren Wechselrichtern und Speichern aus China zu uns schwappt. Dann gilt es für die europäischen Hersteller, sich mit ihren eigenen Stärken zu positionieren.

Wir würden gern, um das Lieferrisiko zu begrenzen, noch stärker auf Produkte aus europäischer Herstellung setzen. Aber dafür müsste wohl erst politisch einiges getan werden, um wieder mehr Wertschöpfung in Eu­ropa zu erreichen. Da wünsche ich mir mehr von der Politik.

Lieferfähig bei Solarmodulen und Speichern, Engpässe bei Wechselrichtern

Solarthemen: Stichwort Lieferfähigkeit. Wie sieht es damit 2023 aus?

Brunner: Bei den Solarmodulen sehen wir jetzt schon eine Entspannung. Eigentlich kann der Installateur hier bereits aus dem Vollen schöpfen. Alle bekannten Marken werden in ausreichendem Maße verfügbar sein. Die Preise haben Anfang des Jahres schon einen Schritt nach unten gemacht. Wir sehen zwar gerade ein leichtes Zurückschwingen. Aber insgesamt haben wir da doch eine sehr positive Preisentwicklung für Installateure – und hoffentlich auch für Endverbraucher, wenn die Preissenkungen auch weitergegeben werden.

Bei Speichern, wo es in den letzten zwei Jahren große Verfügbarkeitsprobleme gab, erwarten wir eine starke Entspannung zur Jahresmitte. In der zweiten Jahreshälfte werden wohl die bekannten Marken ihren Rückstau weitgehend abgearbeitet haben.

Die stärksten Verwerfungen sehe ich aktuell bei größeren Wechselrichtern für den kommerziellen Bereich. Hier scheint die Verfügbarkeit noch schlechter zu sein, als uns Ende 2022 bereits von den Herstellern signalisiert wurde. Das liegt immer noch an der Knappheit von Bauteilen – vor allem von IGBTs, also Leistungstransistoren. Hier sehe ich für das ganze Jahr 2023 noch keine Entspannung. Das wirkt sich natürlich auch auf den Modulbereich aus: Wenn nur wenige Wechselrichter verfügbar sind, kann es schnell zu einem Überangebot von Modulen kommen, weil sie weniger schnell abfließen als gedacht. Es kann deshalb sein, dass ein Teil der Großprojekte nicht realisiert wird, weil die passenden Wechselrichter fehlen.

Starker Anstieg der Logistik bei Krannich

Solarthemen: Hat sich durch die unberechenbare Liefersituation in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Kunden geändert?

Brunner: Das hängt sehr davon ab, wen man fragt. Eine Vervier- bis Verfünffachung unserer Logistikleistung in den letzten Monaten fällt natürlich weniger positiv auf, wenn sich die Nachfrage im Markt im gleichen Zeitraum verzehnfacht. Grundsätzlich wird immer mehr Ware bewegt. PV-Anlagen sind zugleich komplexer geworden, weil Speicher und Ladeinfrastruktur dazu kamen. Wahrscheinlich hat der einzelne Installateur immer noch das Gefühl, zu kurz zu kommen. Er sieht natürlich vor allem, was er nicht bekommt.

Alle Großhändler werden hier das gleiche Problem haben: Viele unserer Kunden können sich kaum vorstellen, wie schwierig die Beschaffungssituation tatsächlich ist, dass wir in vielen Fällen wirklich weder Ware noch ausreichend Informationen von unseren Lieferanten bekommen. Darum versuchen wir inzwischen, diese Tatsachen offensiv, wie zum Beispiel in Videos und Newslettern, zu vermitteln.

Solarthemen: Mancher Handwerksbetrieb macht derweil die Garage seines Endkunden zum Warenlager. Dorthin lässt er je nach Verfügbarkeit gegen Abschlagszahlung die einzelnen Komponenten einer PV-Anlage liefern, um dann nach Monaten, sobald alles beisammen ist, zügig installieren zu können.

Brunner: Ich rate jedem Installateur, wenigstens mit einer eigenen kleinen Lagermenge zu puffern. Bestimmte Komponenten sollte er sich ins Lager legen. Außerdem gestaltet der Installateur idealerweise den Vertrag mit dem Endkunden so flexibel, dass bestimmte, nicht lieferbare Komponenten gegen verfügbare Produkte ausgetauscht werden könnten. Es geht ja mit Blick auf den Cashflow auch darum, Baustellen abschließen zu können, bevor man neue anfängt. Beispiel: Speicher, die einen hohen Wert haben. Wenn diese auf die Baustelle geliefert werden und nicht gleich verbaut werden können, wird Kapital unnötig gebunden. Bei Lieferung an sein Lager, kann der Installateur eher damit jonglieren und bestimmen, welcher Kunde das Produkt in welchem Moment bekommt.

Preistrends in der Photovoltaik 2023

Solarthemen: Wie sehen Sie die Preistrends 2023?

Brunner: Bei Modulen wird der Preis voraussichtlich auf dem erreichten niedrigeren Level stabil bleiben. Bei Wechselrichtern wird sich, solange Knappheit herrscht, wahrscheinlich nicht viel ändern. Das größte Potenzial für langfristige Preissenkungen erwarten wir bei Speichern. Hier verhindern jedoch hohe Rohstoffpreise eine kurzfristige Absenkung. Aber hier kann ein Installateur aktuell durch eine schlaue Auswahl erhebliche Unterschiede im Preis-Leistungsverhältnis zwischen den verschiedenen Produkten nutzen.

Solarthemen: Wenn zwischen der Bestellung des Endkunden und der Installation seiner Anlage oft mehr als ein Jahr liegt, wie gut können sich alle Beteiligten dann auf die vereinbarten Preise verlassen?

Brunner: Beispiel Montagegestelle: Da macht sich der extrem gestiegene Alupreis bemerkbar. Das können wir als Händler nicht abfedern und müssen es weitergeben. Wir versuchen darüber so früh wie möglich transparent mit unseren Kunden zu kommunizieren. Installateure sind aktuell lange im Voraus ausgebucht und schließen jetzt schon Verträge für das nächste Jahr ab. Das Handwerk muss hier natürlich mit Richtpreisen arbeiten und mögliche Preissteigerungen mit einkalkulieren. Es wäre allerdings wichtig, dass sinkende Beschaffungspreise auch an Endkunden weitergegeben werden damit sich für diese ihre PV-Anlage auch weiterhin rechnet.

Solarthemen: Wie spielt da in der aktuellen Situation die Umsatzsteuerbefreiung rein?

Brunner: Insgesamt sehen wir die Befreiung positiv. Jede Vereinfachung kurbelt die Nachfrage weiter an. Die Befreiung greift ja erst auf der letzten Stufe. Wir berechnen unseren Kunden die Umsatzsteuer und der berechnet sie nicht weiter an den Endkunden, sondern bekommt sie vom Finanzamt erstattet. Für den Installateur ist der leichte Nachteil, dass er die 19 Prozent zwischenfinanzieren muss.

Prognose zum Geschäftsverlauf 2023 bei Krannich

Solarthemen: Was sagt Ihnen Ihr Gefühl für den Geschäftsverlauf 2023?

Brunner: Mehr Aufträge und mehr Anfragen als je zuvor. Die enorme Steigerung, die wir seit Kriegsbeginn verzeichnen, wird sich wohl auch 2023 fortsetzen. Das Wachstum ist jedoch aktuell limitiert durch die begrenzten Kapazitäten bei Installateuren. Dadurch könnten zeitnah wieder mehr Produkte verfügbar sein, als Nachfrage da ist. Damit rechnen wir zumindest für den Residential-Bereich schon in 2023.

Solarthemen: Sie sprechen die Kapazitäten im Handwerk an. Erhalten Sie nur mehr Aufträge oder zählen Sie auch mehr Kunden. Sprich: Gibt es im PV-Handwerk Neueinsteiger oder Wiedereinsteiger, die in der Krise vor zehn Jahren ausgestiegen waren?

Brunner: Es gibt sehr viele Wiedereinsteiger, wir sehen auch Neueinsteiger und wir beobachten auch, dass andere Gewerke, beispielsweise Dachdecker, die Photovoltaik zwischendurch aufgegeben hatten, neuen oder erstmaligen Zugang finden. Wir erwarten auch, dass freiwerdende Arbeitskräfte aus dem Baugewerbe, das wegen der aktuellen Zinsentwicklung stagniert, in der PV-Branche unterkommen können und dadurch der kurzfristige Bedarf an Fachkräften etwas abgemildert wird.

17.2.2023 | Interview: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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