PwC-Wasserstoff-Studie: reichlich im Norden, knapp im Süden

Grafik zeigt Wasserstoff-Hubs auf Deutschland-Karte und Leitungen.Grafik: PwC
Laut der Unternehmensberatung PwC Strategy& droht in Süddeutschland eine „Wasserstofflücke“. Es gebe weder genug Ökostrom noch Stromleitungen noch sei eine Anbindung ans geplante europäische Wasserstoffnetz absehbar.

Grüner Wasserstoff soll vor allem helfen, Industrien zu dekarbonisieren, bei denen dies ansonsten technisch nicht oder kaum möglich wäre. Doch dafür muss er auch in die Industriezentren kommen. Der „Wasserstoff-Readiness-Index“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, legt dar, dass das Gas vor allem im Süden Deutschlands auf längere Zeit knapp sein wird.

Kein Ökostrom, keine Stromtrasse – kein Wasserstoff

Aktuell seien in Deutschland 120 Wasserstoffprojekte in Planung, im Bau oder bereits in Betrieb. Diese würden 5 GW Elektrolyse-Leistung bereitstellen. Bis 2030 könnte diese Kapazität auf 30 GW wachsen. Weite Teile des Landes sollen mit einem 5.100 km langen Wasserstoffnetz versorgt werden. Doch im Süden zeichne sich eine doppelte Versorgungslücke ab. Nach aktuellem Stand sei beispielsweise für die Achse Freiburg-München bis 2030 weder eine ausreichende Anbindung an das europäische Wasserstoffnetz sichergestellt, noch wird die Region über ausreichend PV- oder Windkraftanlagen verfügen, um grünen Wasserstoff vor Ort herzustellen. Obendrein fehle eine ausreichende Anbindung an Stromtrassen, um sich mit grünem Strom aus dem Norden zu versorgen. Dabei werde gerade im Süden die zweithöchste Nachfrage nach Wasserstoff erwartet.

Insbesondere der ausbleibende Windkraft-Ausbau in Süddeutschland ist seit vielen Jahren Thema auch auf dem Solarserver. In Bayern scheint sich nun eine Trendwende abzuzeichnen.

Sieben Industriezentren benötigen 90 % des Wasserstoffs

Bundesweit werden sich laut Studie sieben regionale Wasserstoffzentren entwickeln und zusammen über 90% des H2-Verbrauchs ausmachen. Größter Abnehmer werde dabei voraussichtlich das Rhein-Ruhr-Gebiet mit seiner Stahl- und Chemieindustrie. Außerdem würden das Saarland, die Oberpfalz, das Dreieck Frankfurt-Stuttgart-Würzburg, die Achse Bremen-Hamburg sowie die Region Berlin-Leipzig-Magdeburg nach aktuellen Einschätzungen zu den großen Wasserstoffhubs gehören.

Grüner Strom reicht nur für 20 % der aktuellen Wasserstoff-Pläne in Deutschland

Neben der Versorgung mit Wasserstoff aus einem Netz würden in den Plänen die lokale Wasserstoffherstellung mit Elektrolyseanlagen sowie die Elektrifizierung von Produktionsstätten und Prozessen an Bedeutung gewinnen.

Alle drei Ansätze basieren auf einer ausreichenden Versorgung mit grünem Strom. Doch ebendieser reicht laut der Studie nicht, um all den Wasserstoff im Lande zu erzeugen. Lediglich 20 Prozent der anvisierten Wasserstoff-Expansion sei durch den derzeit geplanten Ökostrom-Ausbau gedeckt. Die „Wasserstoff-Lücke“ werde daher nicht nur den Süden Deutschland betreffen, sondern auch weitere Regionen, die weder Zugang zum künftigen Wasserstoffnetz noch zu grünen Energien haben.

Sechs Kernindustrien treiben Wasserstoffnachfrage

In einigen Industrien seien die Vorbereitung für die Wasserstoffwirtschaft weit fortgeschritten. Dazu gehört zum Beispiel die Stahlindustrie, wie auch Solarserver berichtete.

Auch Halbleiterfabriken würden planen eigene Elektrolysekapazitäten planen. Mineralölraffinerien setzen auf grünen Wasserstoff, um ihre direkten Emissionen zu reduzieren. Die Chemie- oder Zementindustrie setzen laut Strategy& hingegen bislang vor allem auf die Elektrifizierung ihrer Prozesse oder die CO2-Abscheidung. Sie gelten in Wasserstoff-Strategien ebenfalls als schwer dekarbonisierbar und somit für den Einsatz von Wasserstoff prädestiniert. In anderen Sektoren, wie der Nahrungsmittelindustrie oder dem Maschinenbau, spiele das Thema nur in Nischen eine Rolle.

Das Autorenteam rechnet damit, dass sechs Kernindustrien bis 2030 zusammen 80 % der Wasserstoffnachfrage ausmachen werden: die Stahlindustrie, die Halbleiterbranche, der Mineralölsektor sowie die Chemie-, Keramik und Glasindustrie. Dort werde der Wasserstoff entweder stofflich oder als Hochtemperatur-Brennstoff benötigt.

Wasserstoff-Importe helfen der Industrie erst ab 2035 weiter

„Grüner Strom und grüner Wasserstoff werden in den kommenden Jahren knapp bleiben und signifikante Wasserstoffimporte erreichen Deutschland erst ab 2035“, sagt Dirk Niemeier, Director und Wasserstoffexperte bei Strategy& Deutschland sowie Co-Autor der Studie.

Zugleich gebe es neue Spitzen beim CO2-Preis sowie klarere und strengere Vorgaben der Regulatoren. Niemeier empfiehlt Unternehmen, schnell zu prüfen, ob und wie sich der Einsatz von grünem Wasserstoff für sie lohne und ob „die eigene Net-Zero-Strategie Wasserstoff ausreichend berücksichtigt, wie resilient und zukunftsfähig die eigene Infrastruktur in Bezug auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff ist oder ob es genügend finanzielle Ressourcen für eigene Wasserstoffinitiativen gibt.“

Effizienz und Elektrifizierung bleiben außen vor

Wieso man angesichts des absehbar knapp bleibenden Wasserstoffs ausgerechnet diesen noch verstärkt in den Fokus rücken sollte, wird aus der Pressemitteilung allerdings nicht klar. Maßnahmen wie Energieeinsparungen oder die physikalisch und wirtschaftlich um Längen effizientere direkte Nutzung von Ökostrom sowie dessen eigene Erzeugung am Standort werden nicht thematisiert.

Die Versorgung mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff werde in Zukunft für viele Branchen ein maßgeblicher Standortfaktor werden, heißt es weiter. Auch die Regionen sollten nun vorausschauend agieren, in entsprechende Infrastruktur investieren, um „im föderalen Wettbewerb deutliche Vorteile erspielen“ zu können.

Mit der Frage, ob Wasserstoff der Technologieoffenheit dient oder vor allem den Fortbestand von Verbrennungstechnologien zementieren soll, befasst sich dieser S+ Artikel

24.4.2023 | Quelle: PwC Strategy | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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