Agri-PV: Akzeptanz durch Bürger-Beteiligungsmodell herstellen

Im Bild eine Grafik, die eine Agri-PV Anlage von Gridparity zeigt.Grafik: Gridparity
Bürger:innen können sowohl an der Agri-PV Anlage als auch an den Obsterträgen beteiligt werden.
Um die Akzeptanz für Agri-PV-Anlagen in der Bevölkerung herzustellen, sind faire Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung in der Region von Bedeutung. Wie ein solches ein Beteiligungsmodell für Agri-PV-Anlagen aussehen kann, stellt Erich Merkle in seinem Gastbeitrag vor.

Agri-PV, die Verbindung von Landwirtschaft und Photovoltaik, ist ein Megatrend im stark wachsenden Photovoltaik-Markt. Der Klimawandel macht diesen Markt geradezu unentbehrlich – angetrieben vom Konflikt zwischen Stromerzeugung und Landwirtschaft, wie er beim Bau großer Freiflächen-Solarkraftwerke entsteht. Gridparity hat bereits vor zehn Jahren die ersten Agri-PV-Anlagen mit semi-transparenten PV-Modulen im heißen Klima Ägyptens gebaut und umfassendes Knowhow entwickelt. Extreme Klimaausprägungen sind indes kein regional begrenztes Phänomen mehr. Der Klimawandel hat auch Deutschland erfasst, löst Wassernot, Hitzeperioden und Unwetter mit Hagel und Sturm aus und führt etwa zu gravierenden Ausfällen in der Landwirtschaft.

Hoch aufgeständerte transparente Solarmodule können vor solchen Ausfällen schützen und zu höheren Ernteerträgen führen. Hinzu kommt die bedeutsame Wertschöpfung durch die produzierte Energie. Der Strom refinanziert die Investition und ermöglicht kurze Payback-Perioden. Die Bundesregierung und viele Landesregierungen arbeiten derzeit an Regulierungen, die der Agri-PV exklusive Vorteile einräumen. Auch in anderen EU-Staaten gibt es Bewegung: So hat Italien gerade ein gewaltiges Förderprogramm im Umfang von 1,3 Milliarden Euro freigegeben und in Frankreich hat jüngst ein erster Fonds Milliardeninvestments in dieses Markt-Segment angekündigt.

Die Beteiligung – der Schlüssel zur Akzeptanz

Ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für die Agri-PV ist die Haltung der Bevölkerung. In welcher Wechselwirkung zueinander stehen regionalwirtschaftlicher Anspruch, finanzielle Beteiligungsangebote und Bevölkerungs-Zuspruch? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und das Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES). Sie setzten dazu das Forschungsprojekt „Regionale Wertschöpfung, Beteiligung und Akzeptanz in der Energiewende“ (ReWA) auf.

Die Erkenntnis: Indem Kommunen und Bürger:innen an EE-Anlagen beteiligt werden, lässt sich die Wertschöpfung lokal konzentrieren. Und je mehr die Wertschöpfung in der Standortkommune verbleibt, desto besser lässt sich die Beteiligung lokaler Akteur:innen an den jeweiligen Wertschöpfungsschritten ausgestalten. Dieser Zusammenhang muss unbedingt auch von den Bürger:innen erkannt werden. Für die Kommunen spielt Kommunikation deshalb eine zentrale Rolle. Um die Akzeptanz für Energieprojekte herzustellen und zu steigern, ist ein grundlegendes Angebot von fairen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung in der Region von Bedeutung.

Fokus Zielgruppe – Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Beteiligungsmodell

Unterschiedliche Modelle eröffnen Möglichkeiten für verschiedene Beteiligungsformen. Auch wenn die Erfolgsfaktoren für eine solche Beteiligung noch nicht systematisch erhoben wurden, gibt es wertvolle Erkenntnisse. So haben sich infolge einer Befragung von 25 Interessenten von Agri-PV-Beteiligungsmodellen mehrere Faktoren als ausschlaggebend herausgestellt:

  • die frühzeitige Kommunikation mit ausführlichen Informationen zum Verlauf einer Beteiligung
  • der zielgruppenbezogene, niedrigschwellige Zugang
  • der erkennbare Nutzen
  • die laufende Information über die Entwicklung der Beteiligung

Eine Fallstudie – der Familienpark Beerenglück

In der nachfolgend dargestellten Fallstudie wird das Konzept für ein Beteiligungsmodell für einen größeren Agri-PV-Solarpark dargestellt.

Rahmendaten:

  • 5 MW Leistung
  • Installationen des Agri-PV-Berry-Systems von Gridparity
  • 6 Hektar großes Grundstück
  • Investitionskosten rund 6 Millionen Euro
  • Erträge aus einer generierten Elektrizität von rund 5,5 MWh pro Jahr sollen der Finanzierung dienen.

Das Konzept sieht vor, dass die umliegenden Gemeinden sowie Gewerbebetriebe größere Anteile zeichnen oder PPAs für den erzeugten Strom abschließen. Hierfür soll ein Anteil von 50 bis 80 Prozent der Agri-Photovoltaik-Anlage zur Verfügung stehen. Selbst bei einem relativ niedrigen Strompreis von nur 0,12 Euro/kWh ist der Investitionsaufwand innerhalb von gut acht Jahren refinanziert. Unberücksichtigt bleiben die nicht unerheblichen landwirtschaftlichen Erträge aus der Vermarktung der Früchte, die dem landwirtschaftlichen Betrieb als Grundstückeigentümer zufließen.

Durch ein solches Konzept ist die Grundfinanzierung der Investition selbst ohne Fremdmittel gesichert (siehe nachfolgende Tabelle).

Zusätzliches Ziel ist eine breite Beteiligung der Bürger. Der Bevölkerung wird daher ein Anteilsverkauf in kleiner Stückelung vorgeschlagen. Zwei Varianten:

  1. Patenschaft für eine definierte Agri-PV-Obsteinheit (ca. 3x3m groß). Diese wird zu einem günstigen Preis von jährlich 100 bis 300 Euro angeboten. Als Verzinsung werden Gutscheine für den Bezug von z.B. 10 kg Obst je 100 kg empfohlen. Dieses kann im Kiosk auf der Agri-PV-Anlage abgeholt werden.
  2. Beteiligung an der Anlage, ebenfalls aufgeteilt in Einheiten von 3x3m mit 6 PV-Modulen und einer Anschlussleistung von 1,8 kW. Für diese Beteiligung wird aus den Stromerträgen eine Verzinsung abgeführt, die vereinfacht in der folgenden Tabelle dargestellt ist.

Der Fahrplan – Realisierung einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung

Nach Klärung der technischen Voraussetzungen (Netzanschluss und Vermarktungskonzept für den Strom) sowie der rechtlichen Bedingungen (Baugenehmigung und Nutzungskonzept als Beerenanlage zum Selberpflücken) sollte die Bevölkerung einbezogen werden. Eine möglichst frühzeitige Informationsveranstaltung stellt Transparenz her und vermittelt die Möglichkeiten einer Beteiligung. Die konkreten Vorteile für Beteiligte sollten differenziert und erfahrbar vermittelt werden.

Um gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Medien zu generieren, empfiehlt es sich, der Informationsveranstaltung den Charakter eines kleinen Events zu geben. So kann man beispielhaft Agri-PV-Gestelle aufbauen und darunter erste Pflanzen in Containern aufstellen. Über Displays und farbige Broschüren lassen sich die Möglichkeiten der Agri-PV veranschaulichen.

Eine hohe Akzeptanz seitens der Bevölkerung erfordert entsprechende finanzielle Beteiligungsangebote. In den Kommunen zeigte sich bereits eine deutliche Bereitschaft, sich auch an künftigen EE-Anlagen finanziell zu beteiligen. Das Interesse war noch deutlich ausgeprägter, wenn Bürger:innen sich bereits an anderer Stelle beteiligt hatten.

Fazit: Eine stärkere finanzielle Partizipation der Bevölkerung an der Energiewende könnte der Schlüssel dazu sein, die Akzeptanz seitens der betroffenen Bürger:innen zu erhöhen.

Der Gastautor Dr. Erich Merkle ist Vorstand der Gridparity AG.

6.5.2023 | Quelle: Gridparity | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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