Bulgarien: DBU fördert kohlenstoffneutrales Industrie- und Gewerbegebiet

Das erste kohlenstoffneutrale Industrie- und Gewerbegebiet Europas soll im Umkreis von Bulgariens zweitgrößter Stadt Plowdiw entstehen. Wie dieses Vorhaben der 200 dort bereits angesiedelten Unternehmen aus aller Welt realisierbar ist, erforscht eine von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Machbarkeitsstudie. Auch eine Energieunabhängigkeit mit genossenschaftlicher Beteiligung ist Gegenstand der Untersuchung.
Rund 32 Prozent des bulgarischen Nettostroms wurden 2024 nach Daten des statistischen Dienstes Statista durch das Verbrennen von fossilen Rohstoffen erzeugt, vor allem Braunkohle. Ferner hatte die Kernenergie einen Anteil von rund 42 Prozent. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft trugen lediglich zu rund 25 Prozent an der gesamten bulgarischen Nettostromerzeugung bei. Das soll sich ändern. „Das Vorhaben der multinationalen Unternehmerschaft, den Standort kohlenstoffneutral zu machen, ist ehrgeizig“, sagt DBU-Abteilungsleiterin Cornelia Soetbeer. Zunächst müsse man einen Entwicklungsplan erstellen. Die Beratungsfirma Dr. Georgiev Consulting aus Holzkirchen in Bayern soll diesen in Kooperation mit der bulgarischen nicht-staatlichen Organisation Trakia Economic Zone (TEZ) erstellen, die DBU unterstützt dieses Vorhaben mit einer Fördersumme von rund 144.000 Euro.
Energieunabhängigkeit bis 2040 auf Basis der Erneuerbaren
Das laut TEZ geplante erste kohlenstoffneutrale europäische Industriecluster umfasst 200 Unternehmen, die sich im Umkreis von 40 Kilometern um die 350.000-Menschen-Stadt Plowdiw angesiedelt haben. Darunter sind Niederlassungen bekannter Firmen aus Deutschland wie Liebherr, Osram und DB Schenker. Hinzu kommen andere Betriebe aus Frankreich, Südkorea und den USA, aber auch zahlreiche lokale mittelständische Unternehmen.
„Dieser Firmenzusammenschluss will bis 2040 auf Basis von erneuerbaren Energien eigenständig werden“, sagt DBU-Experte Jörg Lefèvre. Neben Ökostrom aus Sonne und Wind ist mit staatlicher und kommerzieller Unterstützung der Aufbau eines Wasserstoffnetzes vorgesehen. Ebenfalls auf Grundlage erneuerbarer Energien. Zudem will man laut Lefèvre Prozesse und Energiesysteme intelligent gesteuern, etwa „um Strom vor allem dann zu nutzen, wenn der Ökoanteil besonders hoch ist“. Das mittelfristige Ziel der Kohlenstoffneutralität umfasst nach seinen Worten Produktion, Verkehr und Energieversorgung. Der DBU-Experte: „Industrie und Gewerbe in der Region Plowdiw wollen unabhängig von fossilen Energielieferanten wie Russland werden.“ Das sichere zugleich die Energieversorgung am Standort.
Machbarkeitsstudie untersucht 300-Hektar-Industriegebiet für europaweites Modell
Die insgesamt rund 1.050-Hektar-Fläche verteilt sich auf sechs verschiedene Industrie- und Gewerbeparks. Für die Machbarkeitsstudie will man ein neues Gebiet in Kalekovetz erschließen, genannt Carbon Neutral Industrial Park (CNIP). Es befindet sich 17 Kilometer entfernt vom Plowdiw-Stadtzentrum und umfasst 300 Hektar. Eine binnen zwei Jahren entwickelte Strategie soll Lefèvre zufolge als Blaupause für die anderen Industrie- und Gewerbeparke rund um Plowdiw dienen, wo sich die 200 Unternehmen aus Automobil-, Chemie-, Textil-, Logistik-, Lebensmittel- und Energieanlagen-Branchen bereits angesiedelt haben. Auch die Behörden seien wegen der EU-rechtlichen Vorschriften bei der Genehmigung mit im Boot. „Durch die EU-Gesetzgebung ist das Modell sogar ein europaweites Modell für Industriegebiete“, so der DBU-Experte.
Grüne Anleihen unter Beteiligung von Privatinvestoren
Zur Finanzierung der Investitionen in die Energieunabhängigkeit werden grüne Anleihen unter Beteiligung von Privatinvestoren in Betracht gezogen. Abteilungsleiterin Soetbeer: „Dabei sollen sich Zivilgesellschaft, Mitarbeitende der Werke und öffentliche Akteure finanziell an Anleihen beteiligen, die international vereinbarte Nachhaltigkeitsstandards einhalten.“ Die Entwicklung eines sogenannten Green-Bonds-Modells sei besonders innovativ und bisher noch nicht erprobt.
„Eine dezentrale Energieversorgung mit Photovoltaik, Bioenergie und Windkraftanlagen eröffnet Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement, für Zusammenschlüsse im Energiesektor und für eine aktivere Rolle einzelner Bürgerinnen und Bürger“, sagt Soetbeer. Bürgerenergie spielt nach ihren Worten für die Transformation zu einer treibhausgasneutralen Energieversorgung bis 2050 eine wichtige Rolle. Dabei hat die DBU unter diesem Förder-Schwerpunkt bisher 17 Projekte mit insgesamt mehr als 2,23 Millionen Euro bewilligt, weitere Projekt-Anträge befinden sich in der Prüfung. Seit Aufnahme ihrer Tätigkeit hat die DBU in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 562 Projekte mit insgesamt rund 67 Millionen Euro unterstützt.
Quelle: DBU | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH