TÜV fordert Reform: Wie E-Autos Strom liefern können

Grafik zeigt Auto an einer Wallbox eines Einfamilienhauses, im Hintergrund Windkraft- PhotovoltaikanlagenGrafik: petovarga, stock.adobe.com
Intelligentes Laden kann sich lohnen.
Bidirektionales Laden macht E-Autos zu mobilen Stromspeichern und schafft neue Einnahmequellen für Verbraucher:innen. Einerseits ein großes Potenzial für die Energiewende, andererseits bremsen technische und rechtliche Hürden. Was ist zu tun?

Autos stehen den Großteil des Tages. Bei Elektrofahrzeugen warten vollgeladene Batterien ungenutzt auf ihren nächsten Einsatz. Doch wie kommt diese Energie dort zum Einsatz, wo sie gebraucht wird? Bidirektionales Laden ermöglicht das: Es lädt Strom ins Fahrzeug und gibt diesen auch wieder ab. Dieser Strom könnte dann beispielsweise Haushaltsgeräte versorgen.

In Deutschland sind rund 166.000 Elektroautos technisch für das bidirektionale Laden gerüstet (Stand: Oktober 2024). In der Praxis ist ihr Einsatz bislang kaum möglich, moniert der TÜV-Verband. Es fehlten rechtliche Rahmenbedingungen, einheitliche Standards und marktfähige Tarife. Robin Zalwert, Referent für nachhaltige Mobilität beim TÜV-Verband, sieht auch Potenzial. „Bidirektionales Laden macht das E-Auto nicht nur zu einem Fortbewegungsmittel, sondern auch zu einem mobilen Stromspeicher.“ Verbraucher:innen könnten zudem durch Einsparungen bei ihren Stromkosten profitieren, hofft Zalwert weiter.  

Einsatzmöglichkeiten von bidirektionalem Laden

Bidirektionales Laden im Automobilbereich beschreibt den wechselseitigen Energiefluss zwischen Elektroauto und Stromnetz: Das Fahrzeug kann Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben.

Zwei Varianten stehen E-Auto-Besitzer:innen zur Verfügung. Mit Vehicle-to-Load lässt sich das Auto als mobile Stromquelle für elektrische Geräte nutzen – etwa beim Camping. Vehicle-to-Vehicle ermöglicht den direkten Energietransfer von einem E-Auto zum anderen, beispielsweise zur Pannenhilfe bei leerer Batterie.

Komplexer sind Vehicle-to-Home und Vehicle-to-Grid: Vehicle-to-Home ermöglicht es, tagsüber erzeugten Solarstrom im Akku zu speichern und diesen abends für den Bedarf im Haus zu nutzen. Vehicle-to-Grid geht noch einen Schritt weiter. Das Fahrzeug kann hier die gespeicherte Energie bei Bedarf ins öffentliche Stromnetz zurückspeisen, um so zur Netzstabilisierung beizutragen. In Deutschland befinden sich beide Technologien derzeit noch in der Pilotphase, so der Verband.

Wer sein Elektroauto heute schon als mobilen Stromspeicher nutzen will, muss einige technische Anforderungen erfüllen.

1. Ein kompatibles Elektroauto

Nicht jedes E-Auto ist automatisch in der Lage, Strom wieder abzugeben. Aktuell unterstützen vor allem Modelle mit dem japanischen CHAdeMO-Ladestandard bidirektionales Laden. Darunter sind der Nissan LEAF und e-NV200, der Mitsubishi Outlander und einige Modelle von Honda.

In Europa ist der CCS-Anschluss (Combined Charging System) gängiger. Fahrzeuge wie der CUPRA Born, Hyundai Ioniq 5, Kia EV6 oder BMW i4 bringen diesen Anschluss bereits mit, sind jedoch noch auf die Norm ISO 15118-20 angewiesen. Diese regelt die digitale Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesystem und schafft damit die technische Grundlage für bidirektionales Laden über CCS. Bis diese ISO-Norm ab 2027 flächendeckend eingeführt wird, sollen ältere Standrads weiterhin gültig bleiben.

2. Eine bidirektionale Wallbox oder Ladestation

Damit Strom nicht nur ins Fahrzeug geladen, sondern auch wieder entnommen werden kann, wird eine spezielle DC-Wallbox benötigt. Diese muss bidirektionales Laden unterstützen. Das bedeutet Gleichstrom (DC) einspeisen und auch zurückspeisen können. Zusätzlich braucht sie eine intelligente Steuerung und Kommunikationsschnittstellen, um sich mit dem Fahrzeug, dem Hausnetz oder dem öffentlichen Netz abzustimmen.

Für die Rückspeisung ins Hausnetz ist außerdem ein Wechselrichter erforderlich, der den aus dem Auto kommenden Gleichstrom in haushaltsüblichen Wechselstrom (AC) umwandelt. Herkömmliche AC-Wallboxen reichen für bidirektionales Laden deshalb nicht aus. DC-Wallboxen kosten, laut Verband, je nach Ausstattung zwischen 4.000 und 6.000 Euro.

3. Netz- und Sicherheitsanforderungen

Wer Strom aus dem E-Auto ins öffentliche Netz zurückspeisen möchte (Vehicle-to-Grid), muss beachten: Auch das lokale Stromnetz muss dafür technisch vorbereitet sein und mit der Rückspeisung umgehen können. Denn die Netzstabilität darf nicht gefährdet werden. Dazu sind intelligente Steuerungen und ein Lastmanagement nötig.

Außerdem sind viele rechtliche Fragen noch offen. Wie ist der Zugang zum Netz geregelt? Wie können Verbraucher:innen für den eingespeisten Strom vergütet werden? Hier fehlen bislang einheitliche gesetzliche Vorgaben, die der Gesetzgeber noch schaffen muss, damit Vehicle-to-Grid wirklich alltagstauglich wird, resümiert der Verband.

TÜV: Einheitliche Standards und gesetzliche Vorgaben erforderlich

Bisher mangelt es in der Praxis vor allem an zertifizierten Wallboxen und kompatiblen Systemkomponenten. „Wallboxen und Fahrzeuge müssen für bidirektionales Laden speziell zertifiziert sein. Hier gibt es bislang nur sehr wenige marktfähige Produkte“, sagt Zalwert.

Auch rechtliche und wirtschaftliche Hürden bremsen die Verbreitung: Gespeicherte Energie wird bislang doppelt mit Steuern und Netzentgelten belastet. Das macht den Einsatz bidirektionaler Ladesysteme für viele unrentabel. Doch Mobilität-Referent Zalwert sieht einen Aufbruch und sagt: „Die politische Unterstützung ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert.”

KfW-Förderung als Anreiz

Auch für Verbraucher:innen gibt es erste Anreize. So fördert die KfW-Bank die Anschaffung und Installation bidirektionaler Wallboxen. Ein weiteres Pilotprojekt – unterstützt vom Bundeswirtschaftsministerium – erprobt, wie die Technologie in der Praxis dazu beitragen kann, das Stromnetz zu entlasten. Zalwert fordert: „Damit bidirektionales Laden Alltag werden kann, braucht es klare Standards, eine Anpassung der rechtlichen Lage durch den Verordnungsgeber und eine genormte Abstimmung zwischen Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Haustechnik.“

Quelle: TÜV-Verband | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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