Photovoltaik-Branche schaut auf’s 1000-Gigawatt-Ziel

Ein Arbeiter mit orangem Helm und roter Latzhose steht vor Photovoltaik-Anlage, streckt die Arme auseinander und zeit mit en Daumen nach oben.Foto: anatoli gleb / stock.adobe.com
Beim Forum Neue Energiewelt in Berlin befasste sich die Photovoltaik-Branche in den vergangenen zwei Tagen mit ihren Zukunftsaussichten. Ein ambitioniertes Szenario war dabei das Ziel von 1000 Gigawatt installierter PV-Leistung.

Gesetzt hat das Ziel von 1000 Gigawatt als Diskussionspunkt die Veranstalterin des Forums Neue Energiewelt, die Conexio GmbH. Als einführender Redner ordnete der Solarunternehmer Karl-Heinz Remmers die 1000 Gigawatt als ein mögliches Szenario für Deutschland ein, wenn die Photovoltaik-Branche die Energiewende würde allein schulten müssen. Besser sei es natürlich, so Remmers, wenn die Politik auch für den deutlich stärkeren Ausbau der Windenergie sorgte. Komme man hier nicht voran, so müsse den Energiebedarf für Strom, Wärme und Transport die Sonne liefern. Derzeit sind in Deutschland insgesamt etwa 55 Gigawatt Photovoltaik am Netz.

Andere Gesetze für 1000 Gigawatt PV erforderlich

Für die Photovoltaik-Branche täte sich mit einem 1000-GW-Ziel ein gigantischer Markt, aber auch eine große Herausforderung auf. Dafür müssten sich allerdings auch die Rahmenbedingungen weiter ändern. Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, machte deutlich, dass für ein Ziel von 1000 Gigawatt Photovoltaik ganz andere Prozesse erforderlich seien. Diskussionen um kleine Details etwa im Erneuerbare-Energien-Gesetz seien der falsche Weg, um die notwendige Transformation des Rechts zu erreichen. Und Müller betonte, der Gesetzgeber solle gar nicht erst versuchen, alles regeln zu wollen, sondern er müsse Freiräume lassen und eröffnen.

Was das bedeutet, verdeutlichte sich auch in der Diskussion der Teilnehmer:innen am Forum Neue Energiewelt. So lautet eine wesentliche Forderung, mit der Regulierung durch das Energierecht am Netzverknüpfungspunkt aufzuhören. Anders als jetzt sollten zum Beispiel Vermieter:innen selbst mit ihren Mieter:innen klären können, ob und wie sie Solarstrom an diese weitergeben. Auch in Arealnetzen sollten die Beteiligten selbst regeln, wie sie dort mit – erneuerbarer – Energie umgehen wollen. Fabian Zuber von der Reiner-Lemoine-Stiftung sprach sich zwar für den Einsatz von Smart Metern aus. Das solle aber nur für den Netzanschlusspunkt gelten. Dahinter sei eine Simplifizierung der Zähler anzustreben.

Photovoltaik-Branche mit geringer Erwartung an  die Politik

Jedoch zeigt sich die Photovoltaik-Branche mit Blick auf die kommende Regierung noch zurückhaltend. Man solle nur mit wenigen Änderungswünschen an die Politik herantreten. So jedenfalls lautet die Einschätzung von Verbandsvertretern, die insbesondere den Ministerien nicht zutrauen, eine Vielzahl von Novellierungen im Energierecht zu bewerkstelligen. Indirekt bestätigt hat dies Volker Oschmann vom Bundeswirtschaftsministerium, der die Schritte von der Idee bis zum politischen Beschluss erläuterte. Solle bis zur Sommerpause 2022 ein neues Gesetzgebungs-Programm entwickelt werden, so müsse der Vorschlag dafür schon im Januar fertig sein. Das jedoch ist auch davon abhängig, wie schnell die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind.

Die deutsche und europäische Photovoltaik-Industrie steht – inzwischen wieder – in den Startlöchern. Zeitgleich mit dem Forum Neue Energiewelt nahm Solarwatt in Dresden seine neue Modulproduktion in Betrieb. Moritz Bergmann ist Geschäftsführer der Meyer Burger GmbH, die ebenfalls ihre Modul und auch ihre Zellproduktion in Deutschland ausweitet. Er weist auf die Anfälligkeit von Lieferketten hin, die sich gerade in den vergangenen Monaten gezeigt habe. Schon wenn ein Photovoltaik-Zubau von zunächst 10 Gigawatt im Jahr angestrebt werde und den Handwerkern mehr Sicherheit bei Lieferungen geboten werden solle, sei dafür die Produktion in Europa wichtig. Göran Bye, CEO der Norwegian Crystal AS, sprach sie dafür aus, die Produktionskapazitäten in Europa hochzufahren – in den nächsten Jahren schon auf 25 Gigawatt. Sein Unternehmen, das PV-Ingots und -Wafer in Norwegen produziert, wolle diesen Weg gehen.

Alles muss einfacher und schlanker werden

Bergmann machte ebenso wie Werner Palm, der Geschäftsführer des Wechslrichterherstellers Kostal Solar Electric, deutlich, dass noch an einigen Stellen eine Abhängigkeit von Importen bestehe. Während dies im Elektronik-Bereich vor allem Chips sind, ist das bei der Modulproduktion zum Beispiel Glas. Die Produktionskapazitäten in Europa seien begrenzt, so Bergmann. Und wenn nun ein besonderer Zoll auf Solarglas aus China liege, bringe dies europäische Modulproduzenten in einen Nachteil gegenüber den nicht mehr besteuerten Modulproduzenten aus anderen Teilen der Welt, die ihr Glas billiger einkaufen könnten. Das ist nur ein Beispiel für die Komplexität des Marktes. 

Will man auf 1000 Gigawatt Photovoltaik kommen, ist es offenbar erforderlich, viele Prozesse zu vereinfachen. Das beginnt bei der rechtlichen Situation, setzt sich aber auch in den Produktionsprozessen fort. Und als eine große Hürde könnte sich noch die Frage herausstellen, wie das Handwerk – auch personell – zu stärken ist. Jan Brunner, Geschäftsleiter Vertrieb beim Großhändler Kranich Solar, machte zudem darauf aufmerksam, dass es auch darum gehe, das Vertrauen in den PV-Markt bei den Installateuren wiederherzustellen. 

24.9.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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