Peter Stratmann, Bundesnetzagentur: Prosumer in den Markt!

Solarthemen: Als wir uns vor fünf Jahren zu einem Interview getroffen haben, fiel mir Ihre tendenziell ablehnende Einstellung zum Thema Heimspeicher und Eigenverbrauchsoptimierung auf. Offenbar gibt es bei Ihnen einen Sinneswandel. Warum?
Peter Stratmann: Ich ändere meine Meinung oft und gerne. Wenn man dazulernt, kann das nie schaden. Das gilt auch beim Thema Heimspeicher. Wir beobachten eine schnell wachsende Zahl von Akteuren auf dem Markt, die tatsächlich eine Bewirtschaftung von Prosumer-Haushalten im Markt machen möchten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Damit lösen sich viele Schwierigkeiten, die es vor fünf Jahren noch gegeben hat.
Was meinen Sie mit der Umschreibung, einen Prosumer-Haushalt „im Markt“ zu bewirtschaften?
Es bedeutet, dass die Preissignale des Marktes beim Prosumer-Haushalt beziehungsweise beim Speicher ankommen. Der Haushalt bekommt damit einen Anreiz, den Strom dann aus dem Netz zu beziehen, wenn er günstig ist, und den Strom, den er in der Solaranlage produziert, aber gerade nicht braucht, dann einzuspeisen, wenn Strom besonders wertvoll ist. Das geht nur in Grenzen. Normalerweise ist der private Verbrauch nicht flexibel. Aber die neuen Großverbraucher Elektromobilität und elektrische Wärmeversorgung sind durchaus flexibel. Insofern gibt es jetzt Spielräume, die es vor fünf Jahren noch kaum gegeben hat.
Um die zu nutzen, eröffnet das EEG neuerdings für den bivalenten Betrieb kleiner PV-Batterie-Kombinationen die sogenannte Pauschaloption. Dafür kann man Sie und Ihr Team bei der Bundesnetzagentur wohl als Urheber bezeichnen. Erklären sie mal!
Der normale Eigenverbraucher verwendet seinen Speicher immer noch so, dass der morgens auf Einspeichern steht. Er verbraucht also Strom, den die Solaranlage erzeugt. Das ist aber kein geschickter Zeitpunkt, weil der Strom dann besonders wertvoll und teuer ist. Wenn wir wollen, dass die Stromspeicher auf das Strompreissignal reagieren, dann müssen wir einen alten Zopf abschneiden, nämlich das Ausschließlichkeitsprinzip. Der Speicher muss Netzstrom ebenso einspeichern können wie eigenen Solarstrom. Dabei soll aber der Solarstrom seine grüne Farbe nicht verlieren – sprich: Er soll seine Förderfähigkeit behalten. Es wäre aber sehr aufwendig, den Solar- und den Netzstrom messtechnisch abzugrenzen. Das macht im privaten Haushalt keinen Sinn. Deswegen haben wir für Anlagen bis 30 kW PV-Leistung die Pauschaloption vorgeschlagen. Darin wird einfach unterstellt, dass eine gewisse Menge Strom aus der Solaranlage stammt. Der ist dann förderfähig.
Das Gesetz sieht vor, dass pro Jahr 500 Kilowattstunden pro Kilowattpeak PV-Leistung von dieser Prosumer-Anlage gefördert werden können.
Bei einer 5-kW-Anlage wären also 2500 kWh, die man einspeist, förderfähig. Wenn man noch mehr Strom einspeist, sei es aus der Solaranlage oder als Rückspeisung von gespeichertem Netzstrom, dann ist der nicht förderfähig, aber gilt als zurückgespeister Netzstrom und ist damit umlagebefreit, was nicht zu vernachlässigen ist.
Was ist dafür an technischen Voraussetzungen erforderlich?
Die technischen Voraussetzungen dafür haben die meisten Leute ohnehin schon in ihrem Zählerschrank. Eine moderne Messeinrichtung kann das in der Regel. Damit kann man mit dem Speicher am Markt teilnehmen. In dem Gesamtpaket Prosumer-Haushaltsbewirtschaftung, wir nennen das „Marktbetrieb“, bringt das im Jahr 500 Euro oder sogar mehr.
Ein Smart Meter ist nicht notwendig?
Man muss eine gesicherte Datenübertragung hinkriegen. Es gibt dafür Übergangsregelungen im Messstellenbetriebsgesetz. Für die Details hat das Ministerium einen Arbeitskreis eingerichtet, weil die Branche beim Umstellen von Haushalten auf diesen Marktbetrieb organisatorische Herausforderungen bewältigen muss. Die Datenübertragung ist nur eine davon.
Die Pauschaloption, die der Gesetzgeber jetzt im EEG vorgesehen hat, ist in der Praxis noch nicht durchführbar. Unter anderem, weil dazu eine Festlegung von Ihnen fehlt.
Richtig. Und es gibt noch einen weiteren Player im Spiel: die EU-Kommission. Das Pauschalmodell muss erst von der EU-Kommission genehmigt werden. Wie lange das dauert, danach frage ich täglich meine Glaskugel, aber sie verrät es mir nicht. An der Festlegung arbeiten wir jedenfalls.
Wann werden Sie diese Hausaufgabe erledigt haben?
Wir arbeiten daran, aber einen Zeitplan haben wir noch nicht. Es ist wie so oft im Leben: Sobald man genauer hinguckt, wird es kompliziert.
Immer häufiger wird die BNetzA ins Spiel gebracht, wo es der Politik am Ende zu kompliziert wird. Sie haben inzwischen einen ganzen Stoß von Verordnungen oder Festlegungen abzuarbeiten. Macht Ihnen diese Rolle als Ausputzer der Politik Spaß?
Abgesehen davon, dass mir mein Job tatsächlich viel Spaß macht, kriege ich mein Geld nicht dafür, dass er mir Spaß macht, sondern dafür, dass ich ihn mache. Das gilt für die Bundesnetzagentur als Ganze. In der Aufgabenübertragung zeigt sich ja auch ein großes Vertrauen in unsere Arbeit. Das freut uns. Und wenn sich Gestaltungsoptionen bieten, die an der Sache orientiert sind, dann leisten wir sehr gerne unseren Beitrag.
Auf der anderen Seite sind die Erwartungen der Öffentlichkeit an Politik und Behörde teils unrealistisch, ein Problem sofort zu lösen, sobald man es erkannt hat. Das ist oft nicht innerhalb von wenigen Wochen in der erforderlichen Qualität umsetzbar. Das gilt für den Gesetzgeber genauso wie für die Behörde.
Da die personellen Kapazitäten begrenzt sind, empfinden wir mit dem bestehenden Personal die immer neuen zusätzlichen Aufgaben als große Herausforderung. Aber bei der Speicheroption haben wir uns um die neue Aufgabe selbst sehr bemüht. Weil wir die Zeichen der Zeit erkannt haben, wollen wir einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass die Solaranlagen und Speicher der privaten Prosumer im Markt ankommen. Diese Aufgabe machen wir sehr gerne.
Braucht es für Kleinanlagen weiterhin, auch in zehn Jahren noch, ein EEG?
Ja, auf jeden Fall.
In welcher Funktion?
Zum einen in der Funktion der Förderung. Denn kleine Anlagen sind letztlich immer noch teuer. Das sehen die meisten nicht, weil diese Anlagen im Eigenverbrauchsprivileg sehr hoch gefördert werden. Die Errichtung einer Solaranlage ist aber nach wie vor ohne direkte oder indirekte Förderung nicht rentabel. Die Einspeisevergütung ist allerdings ein Modell, das der Vergangenheit angehören sollte, denn sie entkoppelt den Betrieb der Anlagen vom Markt. Eigenverbrauchsprivileg und Einspeisevergütung sind die beiden Instrumente, mit denen man die Anreizwirkung der Marktpreise auf null setzt. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Zum anderen bedarf es weiterhin auch gesetzlicher Regelungen, um die Rahmenbedingungen zu klären. Weil kleine Anlagen mit ihren technischen Eigenschaften in manchen Stunden den Markt komplett dominieren, brauchen wir auf jeden Fall die Möglichkeit, gesetzlich auf die Anlagentechnik Einfluss zu nehmen. Das Stromspitzenproblem muss ich Ihren Lesern nicht erläutern.
Also keine Einspeisevergütung, aber weiterhin Förderung?
Genau. Was wir brauchen, ist Direktvermarktung. Aber alleine funktioniert sie ökonomisch nicht, sondern nur im Paket mit einer viertelstündlichen Bewirtschaftung des gesamten Haushaltes. Also: dynamischer Stromliefervertrag plus Direktvermarktung des eingespeisten Stroms im Pauschalmodell.
Sie haben das Wort „Eigenverbrauchsprivileg“ eben so penetrant benutzt, dass Sie es kurz erläutern sollten.
Sehr gerne! Der Strom, den ich von meinem Dach selber verbrauche, bezahlt nach aktuellen Regelungen keine Umlagen, keine Steuern, keine Konzessionsabgabe und keine Netzentgelte. Das summiert sich auf einen finanziellen Vorteil von weit über 20 Cent pro Kilowattstunde, also deutlich höher als das, was die Förderung einbringt und erst recht viel höher als das, was man am Markt mit dem Solarstrom verdienen kann. Diese Einsparungen gehen aber zu Lasten anderer.
Die Leute empfinden das nicht als Privileg, sondern als ihr gutes Recht, wie das Recht auf den Anbau eigener Tomaten auf dem Balkon.
Ich habe es mit der Tomatenzucht versucht, es hat aber bei mir bisher nicht geklappt. Wenn ich es hinkriegen würde, hätte ich kein schlechtes Gewissen dabei. Aber das Stromnetz jederzeit zur Verfügung zu haben, verursacht Kosten. Diese Kosten entstehen nicht dadurch, dass man es benutzt, sondern durch die Spitzenlast, die man hat. Und PV-Prosumer verursachen nicht nur eine Spitze, sondern zwei. Eine Bezugsspitze, die morgens im Winter besonders hoch ist, und eine Einspeisespitze mittags bei Sonnenschein. Die Einspeisespitze ist sogar meist höher als die Bezugsspitze. Der Prosumer verwendet das Netz also genauso oder sogar mehr als sein Nachbar, zahlt aber viel weniger. Da besteht Diskussionsbedarf.
Interview: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH | www.solarserver.de