Inselchallenge: Wie kann Curaçao bis 2040 klimaneutral werden?
Foto: Ed WolfsteinCuraçaos Fläche ist vergleichbar groß wie Köln, die Insel hat jedoch nur etwa ein Sechstel so viele Einwohner. Doch so überschaubar die Karibikinsel ist, in Sachen Energieversorgung will das Eiland eine 180 Grad Wende schaffen. Bis 2040 soll Curaçao klimaneutral sein, obwohl zum jetzigen Zeitpunkt ein Großteil der Energie aus Öl stammt.
Auf der Solarwirtschaft-Fachmesse Intersolar 2025 rief die Greening the Island Foundation zu einer Inselchallenge auf. Diese soll bei der Ausarbeitung einer Transformationsstrategie des Energiesystems der Karibikinsel Berücksichtigung finden und könnte als Vorbild für andere Regionen dienen. Markus Weber, Experte für nachhaltige Produktionssysteme am Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, war Teil des interdisziplinären Teams „Smart Green Curaçao“. In einem dreitägigen Workshop im Rahmen der Fachmesse erarbeitete er gemeinsam mit Expert:innen und Studierenden der TH Augsburg, HS Kempten und des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TUM eine Lösung für die Inselchallenge.
Windenergie und Photovoltaik optimal nutzen
Mithilfe von Simulationen und Tools wie TOP-Energy, HOMER Energy und Python-Skripten untersuchte das Projektteam zu Beginn der Challenge, wie man Photovoltaik in Kombination mit den bereits bestehenden Windkraftanlagen optimal einsetzen kann. „Ziel der Berechnungen war es, die verfügbaren Flächen auf der Insel effizient zu nutzen und einen maximalen Sonnen-Ertrag herauszuholen. Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Anlagen dafür in folgender Priorisierung verteilt werden sollten: Bevorzugt auf industriellen und privaten Dächern, danach auf Freiflächen in Form von Solarparks und zuletzt schwimmend auf Gewässern“, sagt Markus Weber.
Eine wesentliche Herausforderung bei der angestrebten klimafreundlichen Stromversorgung ist die Netzstabilität. Entscheidend ist dabei die geografische Nähe der Energiequellen, denn so kann man Netzverluste minimieren. „Wir haben uns in diesem Kontext auch mit innovativen Speichermethoden beschäftigt. Diese tragen zur Energieversorgung in Zeiten ohne Wind bei“, so Weber. Denn insbesondere eine „Windflaute“, bei der die Stromerzeugung aus Windkraft signifikant sinkt, kann bei einer Insel wie Curaçao schnell zu einem Blackout führen. Neben zusätzlicher Resilienz gegenüber Windflauten durch PV-Installation sei die Integration von Batteriespeichern daher laut Weber essenziell. „Für 2040 erwarten wir, dass rund zwei Drittel unseres Stroms aus Wind-, Solar- und Speicheranlagen stammen, wobei die Batterien weniger als ein Prozent liefern und ein Drittel weiter von Dieselgeneratoren kommt. Um einen Anteil von 90 Prozent Ökostrom zu erreichen, ist eine Verdreifachung der Solarkapazitäten sowie eine Vervierzehnfachung der Speicherkapazitäten erforderlich. Dadurch ließe sich der Dieselanteil auf etwa zehn Prozent reduzieren. Allerdings würde auch deutlich mehr überschüssiger Strom anfallen, den wir ungenutzt abschalten müssten.“
Stromdiebstahl erschwert Netzplanung
Die Möglichkeit, Strom zu speichern, ist notwendig, weil Wind und Sonne nicht jederzeit zur Verfügung stehen. Genauso entscheidend ist es, wann die Menschen Strom benötigen. Auf der Insel ist das primär in den Abendstunden. Neben der Industrie hängt der Stromverbrauch besonders stark von privaten Haushalten und dem Tourismussektor ab. „Für mich überraschend war zudem der hohe Anteil des Stromdiebstahls, der als eigener Sektor im Gesamtstrombedarf des Netzbetreibers Aquaelectra aufgeführt wird“, sagt Weber. Leute manipulieren Stromzähler oder zapfen den Strom direkt von Leitungen ab. Diese Tatsache sei laut Weber eine Herausforderung, wenn es um die Planung von Stromnetzen geht. Denn die illegalen, nicht eingeplanten Entnahmen führen zu Überlastungen, die das Netz destabilisieren und Ausfälle verursachen. „Das zeigt, wie wichtig es ist, auch gesellschaftliche Aspekte in die Planung einzubeziehen“, so der Experte.
Das Forschungsteam hat die Ergebnisse der Inselchallenge den Vertretern Curaçaos präsentiert und sie sollen in künftige Planungen einfließen. „Wir haben ein vielversprechendes Konzept entwickelt, das nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch wirtschaftliche Anreize wie passende Geschäftsmodelle berücksichtigt”, so Weber. Die nächsten Schritte beinhalten die konkrete Ausarbeitung und Überprüfung der vorgeschlagenen Maßnahmen für eine klimaneutrale Stromversorgung. Auch mögliche Anschlussbetrachtungen wie Potenzialanalysen von Wasserstoff oder Biomasse sind in das inselweite Energiekonzept zu integrieren. „Natürlich kann man die Erkenntnisse nicht eins zu eins auf Orte in der ganzen Welt übertragen, aber durch die Inselchallenge konnten wir, wenn auch in sehr kleinem Maßstab, die Übertragbarkeit von industriellen Energiekonzepten und deren Skalierbarkeit vortesten“, sagt Weber.
Quelle: Fraunhofer IGCV | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH