Solarpaket I: Experten sehen noch reichlich Nachbesserungsbedarf

Freiflächen-Solarmodul udn Hochspannungsmast unter blauem Himmel mit Wolken.Foto: VRD / stock.adobe.com
Bei der Anhörung im Deutschen Bundestag zum Solarpaket I betonten Sachverständige das Potenzial für Nachbesserungen. Die Industrie sieht die letzte Chance zur Wiederansiedlung der Produktion in Deutschland.

Beim Solarpaket I sehen Fachleute noch einiges an Nachbesserungsbedarf. Das zeigte die öffentliche Anhörung im Ausschuß für Klimaschutz und Energie im Deutschen Bundestag. Wie die Parlamentsnachrichten dazu schrieben, haben die Sachverständigen Änderungen angemahnt, damit der jährliche Leistungszubau bei PV-Anlagen wie geplant auf 22 Gigawatt (GW) steigen kann.

Das Solarpaket I will unter anderem die Förderung von Agri-PV, Floating-PV, Moor-PV und Parkplatz-PV neu regeln. Zudem soll die für den Bau von PV-Anlagen geltende „Opt-in“-Ermächtigung der Länder für benachteiligte Gebiete durch eine „Opt-out“-Ermächtigung der Länder ersetzt werden. Die Länder können davon Gebrauch machen, wenn die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen einen gesetzlich definierten Anteil übersteigt. Mit dem Komplex „Moor-PV“ haben sich die Solarthemen in ihrer aktuellen Ausgabe eingehend beschäftigt.

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), begrüßte insbesondere die Öffnung benachteiligter Gebiete – schwach ertragfähige landwirtschaftliche Flächen – für Photovoltaik-Freiflächenanlagen, „solange die Länder diese Flächen nicht ausschließen“. Dringend abzuraten sei indes vor weiteren zusätzlichen Regelungen beim Thema Netzanschluss. Hier brauche es eine Beschleunigung ebenso wie eine Vereinfachung.

Gemeindevertreter mahnt Beteiligungspflicht an

Im ländlichen Raum frage man immer öfter: „Was haben wir eigentlich vor Ort von der Energiewende?“, sagte Timm Fuchs als Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände. Daher sei es gut, dass das Gesetz die Beteiligungsmöglichkeiten der Gemeinden auf die sogenannten Solaranlagen des ersten Segments ausweite. Noch besser wäre aus seiner Sicht allerdings eine verpflichtende Beteiligung der Gemeinden an den erneuerbaren Energien.

Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag machte deutlich, dass der PV-Ausbau vor allem auf Dächern, Gebäuden oder anderen sonstigen versiegelten Flächen voranzutreiben sei. Dadurch sei eine flächenschonende, dezentrale, versorgungsnahe und somit klimafreundliche und nachhaltige Energieversorgung möglich. Den Gemeinden müsse es auf jeden Fall möglich sein, vor Ort und nach Bedarf über die Flächennutzung zu entscheiden, sagte sie.

„Letzte Chance zur Wiederansiedlung der Solarindustrie“

Aus Sicht von Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), besteht aktuell im harten Standortwettbewerb mit den USA und Asien „die vermutlich letzte Chance für eine Wiederansiedlung der Solarindustrie in Deutschland“. Dazu fehlten aber nach wie vor die richtigen Investitionssignale, um die erforderlichen Milliardeninvestitionen nach Europa zu locken. Das Solarpaket biete dafür eine einmalige Gelegenheit, sagte er. Wenn eine Renaissance der Solarindustrie gelingen solle, dürften Verbraucher und Unternehmen nicht draufzahlen, wenn sie sich für europäische Solarprodukte entschieden. Daher müssten die lediglich in der Anlaufphase höheren Fertigungskosten abgefedert werden.

Dem stimmte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, zu. In den USA und in Asien gebe es massive Fortschritte bei den Investitionen in Klimatechnologien. „Da brauchen wir in Europa und in Deutschland Antworten“, sagte sie. Entscheidend für das Erreichen der PV-Ausbauziele sei es aber auch, gewerbliche Immobilienbesitzer deutlich stärker zu PV-Investitionen zu bewegen. Daher gelte es, die EEG-Vergütungssätze für neue PV-Gewerbedächer entsprechend den marktüblichen Renditeerwartungen anzupasen.

Anne Eibisch als Vertreterin des Solarzellenproduzenten Meyer Burger GmbH sprach von massiven Wettbewerbsnachteilen aufgrund unfairer Handelspraktiken chinesischer Solarunternehmen, denen ihr Unternehmen ausgeliefert sei. Die Aufnahme eines Resilienz-Konzepts wie vom Bundesverband Solarwirtschaft für das Solarpaket 1 vorgeschlagen, bietet ihrer Ansicht nach die Chance, einen erneuten Exodus der deutschen Solarindustrie zu verhindern. Außerdem würde es dafür sorgen, „dass unsere Industrie deutlich und entlang der antizipierten Marktentwicklung sowie der politischen Ziele skaliert werden kann“.

Bauernverband: Kein PV-Ausbau auf „gutem Ackerland“

Um den anhaltenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen zu begrenzen, muss aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes der PV-Ausbau „weg von gutem Ackerland und hin zu Dächern, zu Extensivstandorten, zu Konversionsflächen und in Richtung einer Kombinationsnutzung mit landwirtschaftlicher Erzeugung kanalisiert werden“.

Auf klare Ablehnung stößt laut Verbandsvertreter Bernhard Krüsken die geplante Duldungspflicht zur Verlegung von Leitungen und weiterer Netzanschlussinfrastruktur. Das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsrechte und zudem nicht verfassungskonform. Außerdem eröffne es Konfliktpotenziale.

Birthe März, Referentin für Klima- und Transformationspolitik beim Deutschen Naturschutzring, forderte einen breitenwirksamen und gesetzlich festgeschriebenen Solar-Standard bei Neubau, Umbau und Sanierung für alle geeigneten Dachflächen und andere geeignete versiegelte Flächen. Bei Solar-Freiflächenanlagen sei es geboten, bei der Umwandlung unversiegelter und landwirtschaftlicher Flächen zu Standorten für Freiflächenanlagen Anforderungen des Naturschutzes einzuhalten. So könnten Naturschutz und eine beschleunigte Energiewende in Einklang gebracht werden. Ein Mehr an Biodiversität stärke zudem die Akzeptanz vor Ort.

Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter bei der Stiftung Umweltenergierecht, sagte, über Anpassungen im Förderrecht hinaus seien weitere Hemmnisse für den Freiflächenausbau abzubauen. Die angekündigten Änderungen im Planungsrecht seien hierfür perspektivisch wichtig. „Eilbedürftiger wäre es, den Netzausbau verstärkt in Angriff zu nehmen“, befand er. Zudem sollte aus seiner Sicht geprüft werden, inwieweit insbesondere steuerrechtliche Regelungen für die Erschließung landwirtschaftlicher Flächen einer Änderung bedürfen.

Windenergierückstand durch PV ausgleichen

Aus Sicht von Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft, geht es nicht darum, „irgendwelche Vergütungen anzuheben, sondern auf dem Pfad zu bleiben, Hemmnisse abzubauen“. Dazu gehöre etwa das Thema Wegerecht. Es müsse zudem möglich werden, nicht erreichte Ziele bei der Windenergieerzeugung durch Photovoltaik ausgleichen zu können.

Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer beim Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES), forderte, den Ausbau der Energiespeicher mitzudenken. Es brauche eine Entbürokratisierung durch einen Gleichlauf der Privilegierungen für PV-Anlagen und Speicher. „Hier hat der Gesetzentwurf deutlichen Nachholbedarf“, befand er. So sei beispielsweise die neue gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sehr zu begrüßen. Sie stelle ein sehr niedrigschwelliges Angebot dar, in die Erzeugung von erneuerbaren Energien einzusteigen. Leider sei aber der Speicher nicht mitgedacht und ein Zwischenspeicherung des PV-Stroms ausgeschlossen worden.

Martin Zembsch, Geschäftsführer der Climagy Projektentwicklung GmbH, verwies auf fehlende Netzkapazitäten. „Das ist das eigentliche Problem“, befand er. Die besten Ausbauprogramme nützten nichts, wenn die geförderten Projekte schlussendlich nicht angeschlossen werden können. Der Netzausbau, so Zemsch, sei nicht so vorangetrieben worden, wie es hätte sein müssen. Noch immer dauerten Genehmigungen sehr lange. Zudem würden Netzbetreiber auch an ihre Finanzierungsgrenzen stoßen.

16.11.2023 | Quelle: Parlamentsnachrichten (hib/HAU) | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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